Laos – Vietnam, der wohl letzte Reisebericht

von Jule:

 

Wo waren wir?
Achja…. Auf unserem Weg nach China ist uns aufgefallen, dass wir lieber nur bis nach Vietnam wollen. Auf unserem Weg nach Vietnam war die vietnamesische Botschaft in Vientiane geschlossen und wir mussten einen Bogen nach Süden einlegen, um in Savannakhet unser letztes Visum zu bekommen. Von Savannakhet aus geht es nun die letzte Etappe straff nach Osten- 370 km trennen uns vom Meer. Nach der ersten Tagesetappe auf dem Weg zum Meer landen wir bei einer sehr lieben laotischen Familie, bei denen sogar jemand Englisch spricht und uns ein wenig in die Familie integriert- außerdem landet Christian auf der verkupplungsträchtigen Hochzeit.

28.02.

Nach dieser Nacht frühstücken wir noch einmal mit der laotischen Familie. Das läuft so ab, wie auch das Abendessen am Tag zuvor lief: wir stellen unser Essen auf den Tisch, die Familie ihr Essen, und man frühstückt zusammen und probiert mal ein kleines bisschen bei den anderen. Für die Familie ist es superspannend, was wir da frühstücken. Auch uns beim Wasserkochen zu sehen, begeistert sie total, weil sie, wie sie sagen, noch nie Falang beim Kochen gesehen haben. Total witzig. Für uns ist es natürlich ebenso spannend, uns das laotische Frühstück anzusehen: Bei ihnen gibt es auch zum Frühstück Klebreis in Massen (auf dem Foto ist das der große, runde, traditionelle Bambusbehälter), dazu würzige Pasten aus Miniauberginen und Chili, Rührei und gedünstetes Knoblauch-Gemüse.

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Frühstück mit unserer Gastfamilie

Der Radeltag ist wie immer- heiß und recht lang, weil wir ankommen wollen. Mittags essen wir in einem recht großen Restaurant an einem See, in dem gerade Wasserbüffel baden. Als wir versuchen zu erklären, dass wir gern vegetarisches Essen hätten und davon viel, werde ich irgendwann einfach mit in die Küche genommen und mir wird bedeutet, dass ich am besten selber kochen soll. Hahaha, ich lehne höflich ab und wir bekommen dennoch guten gebratenen Reis nach unseren Vorstellungen. Ach, gebratener Reis… Eine Hassliebe.
Nach dem Essen liegen wir alle mit dem Kopf auf der Tischplatte und machen Siesta, da wird uns noch eine Matte mit Kopfkissen auf dem Boden ausgerollt und wir faulenzen noch ein wenig rum. Das ist übrigens sehr landestypisch: bei der Hitze sieht man links und rechts des Wegesrandes den ganzen Tag und überall Menschen in Hängematten oder auf Tagesbetten im Schatten chillen.
Am Nachmittag können wir wegen der Hitze für ca. ’ne Stunde auch nicht weiterfahren. Wir halten in einem Café und trinken ein Kaltgetränk. Dabei werden wir von einem jungen Mädchen bedient, das selber noch eine Puppe mit sich rumträgt.
Dann kaufen wir auf einem kleinen Markt für die letzten laotischen Kip unser Abendessen (Reis, Gemüse, Eier) zum Mitnehmen und fragen bei einer kleinen Häusergruppe auf Stelzen, ob wir das Zelt aufstellen dürfen. Die junge Frau, die wir fragen, sagt spontan zu und wir bauen auf. Später kommt offensichtlich ihr Vater wieder und ist erstmal überfordert oder schockiert oder verärgert darüber, das plötzlich ein Zelt in seinem Garten steht, dementsprechend unwohl fühlen wir uns. Wenig später aber haben wir noch einmal ein paar Lächeln mit allen Familienmitgliedern ausgetauscht und uns vor allem ein wenig mit den Kindern angefreundet und dann passt auch alles. Dennoch gehen wir sehr früh ins Bett (die ersten um 19:00), um der recht  unangenehmen Situation bald wieder zu entkommen.

01.03.
Nach einem schnellen Frühstück sind wir also früh auf der Straße, die uns heute nach ca. 20 km an die vietnamesische Grenze führen soll. Bis zur Grenze sehen wir mehrere Stände, an denen zB ein einzelner Fisch, ein einzelner Hahn und vor allem alle möglichen Ratten und Nagetiere zum Verkauf angeboten werden. Auch an einem Gebäude der Welthungerhilfe kommen wir vorbei. Wir sind laut Literatur in einer der ärmsten Gegenden der Welt unterwegs und versuchen, das zu begreifen.

Auf unserem Weg zur Grenze müssen wir leicht bergauf fahren (nicht so das Problem) und haben heftigsten Gegenwind (schon eher ein Problem). Wir schleichen gegen die Sturmböen und haben das Gefühl, so gar nicht vorwärts zu kommen.
Und dennoch- kurz vor Mittag stehen wir tatsächlich vor den laotisch-vietnamesischen Grenzbeamten und überqueren unsere letzte Landgrenze dieser Tour. Alles ist problemlos und kurz darauf können wir in Vietnam schon einen Geldautomaten suchen und essen gehen. Sofort werden wir positiv überrascht, denn es gibt eine sehr schmackhafte Auswahl am Buffet, mit Gemüse, Reis, Tofu… Endlich Abwechslung!
Nun geht es weiter die Berge im Gegenwind hoch, aber nicht mehr auf laotischer, sondern auf vietnamesischer Seite. Ich brauch irgendwann nochmal eine Pause und kriege wieder eine Matte und ein Kissen auf den Boden gelegt, als ich Anstalten mache, mich auf dem Boden auszuruhen. Bisher sieht Vietnam nicht großartig anders aus als Laos. Aber nach einige Zeit haben wir scheinbar den Kamm der Bergkette erreicht. Uns weht deutlich kühlere Luft entgegen, endlich fühlt sich nicht mehr alles wie Backofen an. Und es geht bergab! So viel bergab! Es wird die letzte lange Abfahrt unserer Tour sein und ich genieße sie total. Um uns herum sind überall wunderschöne, mit dichtem Djungel bewachsene Berge. Mit etwas Phantasie kann man geradezu am Horizont das Meer (vor dem inneren Auge) sehen. Die Straße windet sich bergab und in ein Flusstal hinein, vorbei an einem Wasserfall und an all diesen Bambus-, Bananen- und sonstwelchen Pflanzen.

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ganz klein ist da unten Marcel zu sehen, kurz hinter der vietnamesischen Grenze

Unten im dicken Fluss gehen wir dann auch tatsächlich eine kleine Runde schwimmen, um mal wieder etwas sauberer zu werden. Neben uns schwimmen zwei Männer im Wasser, mit Taucherbrille und Harpune, und fischen wohl.
Und nach einer obligatorischen Nudelsuppe in einem kleinen vietnamesischen Restaurant, in dem alle sehr sehr freundlich zu uns sind, finden wir auch eine vietnamesische Familie, in deren Hof wir unser Zelt aufschlagen dürfen. Mit ein paar Brocken Englisch und Händen und Füßen versuchen wir Konversation, während wir beim Zeltaufbau von der gesammelten Nachbarschaft bestaunt werden. Wir führen die Luftmatratzen vor und alle haben Spaß. Und am Ende machen die jungen Männer der Familie an ihrem Rechner eine Liveaufnahme von Modern Talking an, um uns eine Freude zu machen =)

02.03.
Unser Weg führt uns weiter durch die Ausläufer des Gebirges, zwischen Hügeln und Reisfeldern entlang. Das alles ist unglaublich schön.

Reisfelder
Reisfelder

Gegen Mittag haben wir Vietnam in seiner Ost-West-Ausdehnung schon halb durchquert und landen auf dem Asian Highway No.1, der berüchtigt unter Tourenradlern ist. Ein wahnsinnig gefährliches Chaos soll da herrschen- wir aber staunen nicht schlecht über den Highway, der eher an eine Dorfstraße als an eine Autobahn erinnert. Es gibt eine Spur für Fahrräder und Mopeds und zwei für Autos, die Straße führt aber fast am Stück durch Besiedlung und der Verkehr fließt mit im Durchschnitt vielleicht 50 km/h. Sicherlich ist es aus deutscher Sicht chaotisch, aber für asiatischen Verkehr wirklich nichts besonderes.
Hier machen wir nochmal Mittagspause und landen in einem Restaurant, in dem ein paar Menschen schon um 11:00 um einen Tisch sitzen, unter dem zig leere Bierdosen liegen. Das ist vietnamesische Sitte: wenn man sich zusammen betrinkt, landen die leeren Dosen unter dem Tisch. So können wir sehen, was die Herren und Damen zu dieser unschuldigen Uhrzeit schon im Körper haben. Christian freundet sich auch gleich mit ihnen an, speziell einem Herren mittleren Alters hat er es angetan und die beiden werden allerbeste Saufkumpels. Am Ende des Mittagessens sind wir alle fröhlich miteinander befreundet und man bezahlt auch 50 % unserer Rechnung für uns. Ein Heidenspaß schon wieder =)

Die neuen besten Kumpels =)
Die neuen besten Kumpels =)

Nunja, und dann geht’s weiter straff zum Meer. Wir biegen in ganz kleine, feldwegartige Straßen ein, die uns schnurgerade durch Reisfelder führen. Hier kommen wir durch ganz kleine Dörfer und werden freudig begrüßt. Und überall stehen wahnsinnig viele asiatische Gräber- ganze Grab-Städte passieren wir auf unserem Weg und wundern uns sehr. Und irgendwann biegen wir auf die letzte Straße ein, zählen die Kilometer runter… 4… 3…. 2… 1… können den Strand sehen…. können die Wellen sehen…. und sind da!

Wow. Was für ein Gefühl.

Jauchzend und schreiend schieben wir unter den leicht irritierten und erheiterten Blicken der lokalen Bevölkerung unsere Räder auf den weißen Strand zwischen die Fischerboote. Das hier ist alles andere als eine Touristengegend, hier gibt es vor allem Fischer und es verirren sich allerhöchstens ein paar einheimische Touristen zum Am-Strand-Saufen hierher, wie wir später sehen. Wir fallen also mal wieder gnadenlos auf =)
Und wir hüpfen in die Badehose, umarmen uns alle drei und wanken so zusammen in die Wellen, bis wir da drin sind, in diesem südchinesischen Meer.
Und wir baden und hüpfen gegen die Wellen und schreien rum und haben übelste Sorte viel Spaß.

Wir. Sind. Angekommen!
Wir. Sind. Angekommen!

Kann man sich vorstellen, dass das toll war, nech?

Später suchen wir ein Hotel, es gibt aber wegen des erwähnten Touristenmangels nur eine üüübel schäbige Ranzbude. Nach etwas Hin- und Herüberlegen bleiben wir aber da und Marcel und ich entscheiden uns, einfach die Sachen im Zimmer zu lassen und das Zelt direkt am Strand aufzubauen.

Zelt am südchinesischen Meer
Zelt am südchinesischen Meer

Wir gehen zusammen was trinken und essen, wobei ein Mann an den Tisch kommt, der sich sehr stolz als Amerikaner mit vietnamesischen Wurzeln vorstellt und uns kurz erzählt, dass er alle paar Jahre hier in seine Heimat zu Besuch kommt, und dass er jetzt gerade seine gesamte Verwandtschaft zum Essen einlädt. Er erzählt uns auch kurz, dass es schwer ist für ihn, in Amerika so weit weg und ganz allein zu sein, aber dass er dort eben das Geld verdienen muss.

Dann gehen Christian und ich nochmal unter dem Mond ins Meer und dann schlafen wir am Strand, mit den Wellen im Hintergrund…. Grandios!

02.03.

Frühstück am Strand, Baden, Chillen, Baden…
Mittags brechen wir auf, um an der Küste entlang zu fahren und noch ein besseres Hotel zu finden, in dem wir auch Internet nutzen könnten. Das ist grad für die Organisation der Heimreise ziemlich wichtig.
Und wir fahren durch endlose Shrimps-Aquakulturen und erreichen irgendwann einen Ort, in dem wir zunächst nach einem Hotel fragen. Ein Mann sagt uns, wo wir ein Hotel finden könnten, und bittet uns, mit ihm zusammen was zu trinken. So bleiben wir kurz sitzen und er sagt immer wieder die paar Brocken Englisch, die er kennt: „How are you“, „Whats your name“ und unser Liebling: „body mass index“, wobei er seinen Bizeps präsentiert. Auch zeigt er uns stolz hunderte US-, kanadische und australische Dollar in seinem Portemonnaie, was hier, mitten auf dem platten Land, ein ungeklärtes Rätsel bleiben wird. Für uns aber scheint das ein Glücksfall zu sein: wir haben kaum noch Geld und ewig keinen Geldautomaten mehr gesehen und schon Angst, dass wir uns ein Hotel nicht leisten könnten, selbst wenn wir eines fänden. Aber der Mann tauscht uns doch tatsächlich 40 Euro in vietnamesische Dong und wir können weiterradeln =)

Das neue Hotel ist dann auch völlig in Ordnung und das Café gegenüber, das irgendwie dazu gehört, hat Internet. In dem Hotel steigen außer uns vermehrt eben diese Tagestouristen ab, die kurz mit dem Roller zum Strand düsen, sich da in Horden tierisch betrinken und ihren Spaß haben. Und dann wieder mit dem Roller heim oder zum Hotel düsen. Wahnsinn. Aber Westler wie uns sieht man hier nirgendwo, das ist sehr angenehm.

Den Nachmittag verbringen wir nochmal am Strand und im Meeeeeeer und als wir abends essen wollen, treffen wir ein ca. 13-jähriges Mädchen, das ziemlich gutes Englisch spricht und von seiner Mama damit beauftragt wird, uns mit dem vegetarischen Essen im Restaurant nebenan zu helfen. Im Endeffekt bedient sie uns dann drüben und ist zuckersüß. Später kommt sie auch nochmal zum Hotel rüber, in dem ich gerade skype, um sich auf Englisch ein wenig mit mir zu unterhalten. Das finde ich total beachtlich, ich hätte in dem Alter niemals den Mut dazu gehabt!

04.03.
Auch dieser Tag startet damit, dass wir zum Strand trudeln und im südchinesischen Meer baden gehen. Wir haben tierisch viel Spaß in den Wellen und als ich an Land gehe, um mich in Ruhe mit melancholischem Blick gen Osten von dieser Reise zu verabschieden und zu realisieren, dass wir jetzt wirklich angekommen sind, gesellen sich zwei Fischer zu mir. Wir verständigen uns sehr rudimentär und die beiden fragen immer wieder, wo ich her komme, weil sie die Antwort „Germany“ nicht zufrieden stellt. Wenn ich das sage, fragen sie immer wieder „USA?“ und ich sage nein, und dann fragen sie „England?“ und ich sage „No, Germany“. Aber weil sie Germany nicht kennen, schreiben sie mir dann nochmal in den Sand: „Viet Nam“ und zeigen auf sich und dann fragend auf mich. Und ich schreibe „Germany“ in den Sand und da zucken sie dann mit den Schultern und geben auf. Aber schön sieht das aus, wie dann da Germany und Vietnam nebeneinander im Sand stehen!
Sie schreiben mir auch auf, wie der Ort heißt, an dem wir hier gelandet sind: Phong Hai! Wer hätte das gedacht, da endet unsere Radtour wohl in Phong Hai am Meer, nicht in Shang Hai. Zwei Buchstaben Unterschied =)

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Gegen Mittag satteln wir wieder auf und fahren unsere wohl letzte Etappe in die alte Kaiserstadt Hue. Der Weg führt weiterhin durch ganz kleine Dörfer, vorbei an unzähligen Tempeln (die besonders Christian entzücken) und über Straßen, die durch weite Reisfelder führen. Einige Straßen sind gesäumt von roten Flaggen, auf denen  der gelbe vietnamesische Stern  in gelb prangt.

Rote Fahnen in den grünen Reisfeldern der vietnamesischen Provinz
Rote Fahnen in den grünen Reisfeldern der vietnamesischen Provinz

Und auch hier fahren wir wieder durch eine immense Anzahl an Grabstätten.
In Hue angekommen, drehen wir eine kurze Runde durch die Altstadt und sind schonmal begeistert von dem völlig verrückten Mopped-Verkehr. Prinzipiell hat wohl jeder vietnamesische Mensch einen Roller und ich empfinde den Straßenverkehr wie einen riesigen Fischschwarm. Man kann einfach jederzeit über die Straße gehen, die Masse an Rollern teilt sich an der richtigen Stelle und fließt um einen herum. Außerdem ist es irgendwie im Gegensatz zum Autoverkehr total sympathisch, jeden Verkehrsteilnehmer direkt sehen zu können. Und was die Leute dann auch alles noch so mitnehmen, auf ihren Rollern! Von der vierköpfigen Familie bis zu 5 Kästen Bier und noch so viel mehr kann man alles sehen. Auf jeden Fall aber würde Asien im kompletten Verkehrschaos versinken, wären das hier alles Autos. Sehr spannend!

Dann überqueren wir den großen Fluss, der mit unzähligen hübschen Seitenarmen durch die Stadt fließt und ganz blumig mit „Parfum-Fluss“ übersetzt wird und finden in Downtown ein sehr schickes Hotel, das uns gegen für Europa lächerliche Preise in ein sehr nobles Zimmer lässt (es ist so ein Zimmer mit blütenweißen Betten, Klimaanlage, kleinen hübschen Nachttischlämpchen, Minibar, Balkon und Vollholzmöbeln und kostet…. tatatataaaaa…. 15 Dollar für drei Leute. 5 für jeden… Wahn). Außer zu einem schönen indischen Restaurant (wir schwelgen in guten Erinnerungen ^^) soll uns heute eigentlich nicht mehr viel bewegen, dann aber fragen wir nochmal kurz in einem Reisebüro nach, wie wir dann zwei Tage später am besten nach Saigon / Ho Chi Minh City kommen. Und das artet (zumindest für mich) in großen Stress aus, weil die Dame uns sagt, dass Busse die Fahrräder nicht mitnehmen können und alle Zugtickets schon ausverkauft wären. Und dass es nun zwei Optionen gäbe: a) wir bekommen direkt am Bahnhof noch ein Zugticket für uns drei und die Räder, b) wir können selber mit dem Bus fahren und die Räder im Zug nach HCMC schicken… Wow, das klingt richtig blöd!
Also stratzen wir nochmal zum Bahnhof. Am Schalter gibt uns die Dame zu verstehen, dass es keine Tickets mehr gibt und kann leider kein Englisch, um die Frage nach dem Fahrrad-Verschicken zu verstehen. Sie ruft jemanden an, der Englisch spricht und ich frage ihn nochmal nach Tickets und den Rädern, woraufhin der Telefonjoker zunächst sagt, dass es keine Tickets mehr gibt und wir einen Inlandsflug nehmen sollen. Ich bin ziemlich schockiert und erwähne nochmal die Kosten für Fahrräder, bis er anbietet, sich am nächsten Morgen mit uns zu treffen und das Fahrrad-Verschicken zu organisieren. Aaaaaah!
Am eigentlich sehr, sehr schönen nächtlichen Parfum-Fluss entlang laufen wir dann etwas geknickt nach Hause, gerade ich gerate ob des eventuell eintretenden Stresses wirklich in Panik. Ich freu mich doch so auf zu Hause, das soll nicht scheitern! =)
Auf dem Heimweg jedoch fragen wir noch ein weiteres Bus-Büro an und im Gegensatz zur ersten Agentur sagt uns die Mitarbeiterin hier nun, dass die Radmitnahme möglich sei. Im Notfall auf dem Dach, fügt sie hinzu. So richtig vertrauen kann ich der Sache jedoch nicht, weil sie recht schlecht Englisch spricht und ich mir nicht sicher bin, ob die Kommunikation geklappt hat. Wir vertagen auf Morgen, um in Ruhe eine Lösung zu finden.

05.03.
Die erste Tagesaufgabe ist nun also, irgendwie eine Möglichkeit zu finden, nach Ho Chi Minh City zu kommen. Und das ist dann so viel einfacher, als es gestern Abend noch aussah…
Als wir vom Zimmer runter in die Rezeption kommen, strahlt uns eine völlig überdurchschnittlich gut gelaunte Hotelrezeptionistin an und singt sogar ein spontanes Guten-Morgen-Ständchen… Ich muss lachen und will sie eigentlich nur nach ihrem Tip für eine gute Reiseagentur fragen, da entpuppt sie sich als Hotelrezeptionistin UND Reiseagentur und fünf Minuten später haben wir einen fancy Liegebus gebucht, der uns und die Räder am nächsten Tag in 28 Stunden Fahrtzeit nach HCMC bringen soll.
Fancy Liegebus? Ich übertreibe nicht… =)

fancy Schlafbus
fancy Schlafbus

Also alles gut, gar kein Problem, umsonst aufgeregt.
Und wir können den Tag mit schöneren Dingen verbringen: dem Anschauen von Hue. So laufen wir erst einmal über den Fluss zur Zitadelle, dem alten Stadtkern, in dem der Kaiser mit seinem Hof gelebt und regiert hat. Dort kann man lang herumlaufen und sich die Gebäude, Bonsais und Teiche ansehen und es gibt auch ein paar wirklich gut gemachte Ausstellungsräume, in denen man ein wenig über die vietnamesische Geschichte lernen kann. Den Rest des Tages streifen wir durch die Straßen und genießen die Stadt. Hue ist meiner Meinung nach wirklich sehenswert und zum Wohlfühlen geeignet, überall ist Wasser und die Stadt ist, wie alles, was wir bisher von Vietnam gesehen haben, sehr lebendig.
Am Abend trinken wir dann nach dem Essen noch ein paar Bierchen und Weinchen am Fluss und landen später in irgendeiner Bar, um unsere feine Radelreise zu feiern =)

06.03.
Mit leichtem Kater putze ich morgens noch meine Tretlager mit dem Restbenzin aus dem Kocher, danach steht auch bald schon der Bus vorm Hotel und schluckt ohne zu Murren Extremradler, Extremradlerinnen und Extremradel. Wir sind ziemlich beeindruckt vom fancy Liegebus und machen es uns bequem, um die angekündigten 28 Stunden hier zu wohnen.
Nunja, und dann folgen eben ziemlich viele Stunden Busfahrt =)
Wir dösen und gucken aus dem Fenster und manchmal dürfen wir zum Pinkeln raus. Die Landschaft draußen ist sehr, sehr schön. Zunächst, in Zentralvietnam, sind da tolle, sattgrüne und djungelbewachsene Berge auf der rechten Busseite und das weite, blaue Meer auf der linken Busseite. Wir fahren durch den Tunnel unter dem Wolkenpass (der Wetterscheide Vietnams) hindurch und weiter südlich wird die Landschaft irgendwann zu weiten Sandebenen. Richtig wüstenartig. Zu anderer Zeit passieren wir Postkartentraumstrände und ich bin ziemlich traurig, dass wir hier nur vorbeifahren werden und nicht mehr die Gelegenheit bekommen, noch einmal in den Pazifik zu hüpfen. Das ist, wie wenn man ein Eis vor die Nase gehalten bekommt, das man dann nicht essen darf…

Irgendwann ist auch nicht mehr 06.03., sondern der

07.03. und wir sitzen immernoch im Bus, aus den 28 Stunden werden 30, und dann sind wir auch, äh…, schon mitten im Herzen Ho Chi Minh Citys!
Ein Trubel! Ein Gewirr! So viele Motorräder! So viel Leben! Es gibt kleine und große Gassen und keinen Meter Bürgersteig, auf dem nicht irgendetwas zum Verkauf angeboten wird. Und wenn mal doch einen Meter kein mobiler Kaffee- oder Baguettestand steht, dann parken da ganz viele Mopeds.

Kaffee, übrigens, ist nochmal ein Thema für sich. Der vietnamesische Kaffee wurde von mir während der Busfahrt morgens um 7:00 probiert, als wir plötzlich alle rausgeschmissen wurden und in einen baugleichen Bus umsteigen sollten. Da haben wir dann etwas am Straßenrand gewartet und ich hab mir einen vietnamesischen Kaffee mit gezuckerter Kondensmilch bestellt. Serviert bekommt man dann ein Glas, in dem ein Bodensatz aus der dickflüssigen Milch ist. Auf dem Glas steht ein kleiner Metallfilter, aus dem langsam der pechschwarze Kaffee auf die Dosenmilch tropft. Hat der sich ausgetropft, kann man umrühren und genießen. Und genießen, das mein ich so!, denn tatsächlich habe ich in meinem Leben trotz sehr aktiven Kaffeekonsums noch nie so tollen Kaffee getrunken wie diesen hier. Der ist unglaublich dunkel und kräftig, ohne auch nur eine Spur sauer zu sein. Total lecker und ich hoffe, den auch in Deutschland einmal herstellen zu können. Die nötigen Utensilien werde ich mir auf jeden Fall von hier mitbringen.
Die Vietnamesen scheinen den Kaffee auch so zu lieben, denn wirklich an jeder Ecke kann man die leckere Spezialität entweder heiß oder sehr gern auch auf Eis bekommen.

Falls das Interesse geweckt ist:

http://www.reisenvietnam.com/specials/vietnamesischer-kaffee

Nach dem Einchecken in einem günstigen und sehr futuristischen Hotel und dem Abendessen gehen wir dann nochmal zu einem Nachtmarkt, der dem gewillten Touristen jeden Einfall der freien Marktwirtschaft anbietet. Und Touristen gibt es hier wirklich wahnsinnig, wahnsinnig viele. Schon im Bus, der scheinbar auch fast nur für Touristen existiert, waren wir z.B. auf Teilstrecken fast komplett von Deutschen umgeben.
Über den grünen Straßenzügen und Parks und dem Gewusel von Motorrollern und Menschen, Käufern und Verkäufern glitzern sehr fette Wolkenkratzer am nächtlichen Himmel. Ich glaube, in so einer echten Großstadt war ich noch nie!

08.03.
Heute laufen wir natürlich mit großen Augen durch HCMC. Wir bestaunen das Leben in den Straßen und schauen uns an, wie man so offensichtlich in Vietnams Hauptstadt lebt. Wir tingeln zum gut aufgemachten Kriegsmuseum und verbringen dort mit ca. 4000 anderen Touristen eine spannende Zeit, dann schlendert man zum Saigon River und guckt sich Boote, Pärchen auf Motorrollern am Ufer und Seerosen an, die in kleinen Teppichen vorbei schwimmen.
Ich mag die Stadt sehr gern und würde gern noch länger hier sein, um mehr als nur den Kern des Zentrums zu erleben.
Am Abend gehen wir dann noch einmal in ein ganz vietnamesisches Restaurant essen und erleben noch einmal die Unterhaltsamkeit der Sprachbarriere. Zunächst ist es denkbar schwierig, etwas zu Essen zu bestellen, auch wenn es eine handgeschriebene Englisch-Übersetzung der Karte gibt. Das klappt aber mehr oder weniger- als Marcel jedoch später noch zwei Spiegeleier dazu bestellen möchte, nickt der Kellner eifrig und bringt ihm zusätzlich zu den Essstäbchen (an die wir uns schon recht gut gewöhnt haben) einen Löffel. Da müssen wir doch spontan sehr in uns hineinlachen =)

Nun denn, dann geht es das letzte Mal schlafen, bevor wir am 09.03. gegen Mittag aus dem Hotelzimmer zum Flughafen radeln werden.
Die Abschiedsgefühle sind facettenreich und sicherlich sehr, sehr individuell. Ich denke, einen kleinen Abschied von diesem Reiseblog werden wir nochmal extra veröffentlichen. Bei unseren 18 Stunden Flug plus 12 Stunden am Flughafen wird da sicher Zeit sein, nochmal gut in die Tasten zu hauen.

Bis dahin erst einmal vielen Dank fürs Lesen, es hat uns viel Spaß gemacht, euch zu unterhalten. Die Rückmeldungen und der Rückhalt, den wir von zu Hause bekommen haben, haben uns viel gegeben.
Lieben Gruß!

— auf dem lang(sam)en Weg nach China —